Zwischen den Zeiten

An den Küsten von Connemara und Mayo

 

Westwärts: Dublin ─ Clonmacnoise ─ Ardnagreevagh


Die Warnung vor dem Sturmtief Lorenzo, das in den Abendstunden auf die Irische Westküste treffen sollte, war das Erste, was wir bei unserer Ankunft in Dublin hörten. Aber auch in Dublin, an der Küste der Irischen See im Osten Irlands, war der Himmel schon durchgehend grau und es regnete in Strömen. Durch den dichten Feierabendverkehr verließen wir die Stadt in westlicher Richtung mit Kurs auf Galway, hatten aber für die erste Nacht noch einen Zwischenstopp in einem B&B zwischen Portumna und Birr im County Tipperary unweit des Shannon eingeplant.

Obwohl wir unser B&B, die Old Farm von Margaret und Alfie, erst gegen halb neun erreichten, wurden wir herzlich empfangen und beschlossen den Tag mit einem gemeinsamen Dinner. Margaret und Alfie sind großartige Gastgeber und Köche. Wir saßen bis nach Mitternacht in ihrer großen, gemütlichen Küche. Im offenen Kamin brannte ein Feuer, um uns herum ihre beiden Hunde und eine Katze. Es war ein wunderbarer Abend mit gutem Wein und guten Gesprächen, während draußen der Sturm langsam das Land ostwärts überquerte.

Zusammen mit meinem Freund Peter und seiner Frau Elke nahmen wir am nächsten Morgen Abschied von Margaret und Alfie und fuhren zu der alten Klostersiedlung Clonmacnoise am Ufer des Shannon. Durch den Sturm waren viele Felder und Weiden überschwemmt und der Shannon war so weit über die Ufer getreten, dass der eigentlichen Verlauf des Flusses nur schwer auszumachen war. Als wir Clonmacnoise erreichten hatte der Regen schon nachgelassen, es gab nur noch ab und zu einen kurzen Schauer und gelegentlich kam für einen Augenblick auch die Sonne durch.

Clonmacnoise liegt auf einem Hang, der sanft zum Shannon abfällt. Es ist eine der bedeutendsten Klostersiedlungen Irlands. Das Klostergelände ist nicht besonders groß, aber es stehen dort viele keltischen Kreuze und Ruinen von Kirchen, Kapellen, Rundtürmen und von einer Kathedrale. Der Ursprung der Anlage geht auf des 6. Jahrhundert zurück und es gibt dort einen alten Friedhof, der auch heute noch genutzt wird. Ein paar hundert Meter von der Klosteranlage entfernt liegt die völlig verfallene Ruine des Clonmacnoise Castle, einer Burg aus dem 13. Jahrhundert, die aber nicht zugänglich ist.

Gegen Mittag machten wir uns auf den Weg über Galway nach Ardnagreevagh, wir wollten noch bei Tageslicht ankommen und mussten auch noch unsere Einkäufe für den Abend und den nächsten Morgen besorgen. Und je weiter wir nach Westen vorstießen, desto besser wurde das Wetter.


Die Renvyle-Halbinsel


Es war später Nachmittag, als wir bei blauem Himmel und Sonne das Haus in Ardnagreevagh am westlichen Ende der Renvyle-Halbinsel erreichten, unser „Basislager“ für die nächsten zehn Tage. Es liegt nach Norden ausgerichtet an einem flachen Hang, der sanft zur felsigen Küste einer Bucht abfällt, die vor der Mündung des Killary Harbour Fjords liegt. Vor der Küste liegt ein Dutzend kleiner, unbewohnter Felseninseln, die aber zum Teil von Schafen beweidet werden. Im Westen und Norden markieren die deutlich größeren, bewohnten Inseln Inishbofin und Inishturk den Übergang zum offenen Atlantik. Im Osten, von der niedrig stehenden Abendsonne zum Leuchten gebracht, die rötlichen Hänge der Mweel Rea Mountains, die bis an die Küste der Bucht und den angrenzenden Killary Harbour Fjord heranreichen. An den vorgelagerten Inseln und Riffen brach sich eine hohe Dünung, die Nachwirkungen vom Sturmtief Lorenzo, und noch immer wehte ein scharfer Westwind.

Am Morgen nach unserer Ankunft erkundeten wir die nähere Umgebung. Etwa 200 Meter westlich des Hauses steht die Ruine des Renvyle Castle, einer verfallenen, mittelalterlichen und einsturzgefährdeten Turmburg. Die Halbinsel ist geprägt durch steile Berge und eiszeitlich geformte Rücken mit glattgeschliffenen Felsen und durch die vielen eiszeitlichen Findlinge. Die Gipfel der Berge bestehen meist aus Quarzit, die Hänge aus kristallinem Schiefer und grauem Marmor. In den tiefergelegenen Senken finden sich meist Feuchtwiesen, Moore oder kleinere Seen.

Parallel zur Südküste der Halbinsel verläuft der kahle, langgestreckte Rücken des Tully Mountain mit seinen steilen Hängen. An dessen südöstlichen Ende ragt die kleine Pier von Derryherbert in die fjordartige Bucht des Ballynakill Harbour. Diesen vielen, langen, schmalen Fjorden und Buchten verdankt das County seinen gälischen Namen, Connemara bedeutet ins Englische übersetzt „Inlets of the sea“.


An der Pier ein winziger Schuppen, ein verfallener Wohnwagen, Stapel von Hummerkörben, ein Haufen Schrott und eine Handvoll kleiner Fischkutter. Von hier aus hat man einen weiten Blick über die Bucht in Richtung Letterfrack und auf den dahinter liegenden Diamond Hill mit seinen bewachsenen Hängen und der diamantförmigen Felsenspitze. Letterfrack mit seinen Pubs, einem Postamt und einem großen Supermarkt war für uns der Hauptort. An seinem westlichen Ortsausgang liegt auch das Visitor Center des Connemara National Parks, in dessen Zentrum der Diamond Hill liegt.

Fast alle Straßen hier sind sehr schmal und folgen mit vielen Kurven der oft steilen Topographie. Bei Gegenverkehr ist man oft auf Ausweichstellen angewiesen, muss gelegentlich auch mal ein Stück zurücksetzen. Dies gilt auch für die Stichstraße, die von der Derryherbert Pier aus auf dem Hang des Tully Mountain parallel zur Küste nach Letter Beg führt: Rechts, dicht an der Straße, liegen kleine Höfe, hinter den Gebäuden, zum Berg hin, die steilen Feldern. Zwischen den Höfen alte Häuser aus grauem Granit, oft stehen nur noch die nackten Wände ohne Dach und aus dem windgeschützten Inneren wachsen Bäume empor. Links der Straße fällt der Hang steil zum Fjord ab. Bei einem der letzten Gebäude konnten wir den Wagen abstellen und liefen auf einem unbefestigten Weg ein Stück weit zur Küste herunter. Dann riss der Himmel auf und die Sonne kam heraus. Jetzt leuchtete auf den gegenüberliegenden Hängen das Grün der Wiesen auf und das Grau der See verwandelt sich in ein helles, leuchtendes Blau, unterbrochen von den weißen Schaumkämmen der hohen, brechenden Dünung.

Diamond Hill

 

Der Diamond Hill hatte es Peter und mir angetan und an einem der folgenden Tage wollten wir ihn besteigen. Bis auf wenige zehn Meter unterhalb des Gipfels ist der Berg mit niedrigem Gestrüpp bewachsen. Der Zustieg läuft über gut markierte Sandwege und hölzerne Board Walks. Etwa auf halber Höhe teilt sich der Weg und wird zur „Einbahnstraße“, damit sich die Auf- und Absteiger auf dem schmalen Pfad nicht gegenseitig behindern. Der Himmel war grau, aber es war trocken und es wehte weiterhin ein stürmischer Westwind. Elke nahm einen tiefer gelegenen Rundweg und wollte im Besucherzentrum des Nationalparks auf uns warten. Je mehr wir an Höhe gewannen, desto stärker wurde der Wind. Dabei fiel uns auf, dass alle Absteigenden über die Aufsteiger-Route herunter kamen. „Zu gefährlich, zu viel Wind“ erzählten sie uns. 

Immer wieder hielten wir an und sahen uns um. Im Westen und Norden die Weiten des windgepeitschten Atlantiks, davor die Küste mit den vielen Fjorden und Inlets und den zahlreichen kleinen und großen Loughs auf dem Festland. Aber wir mussten vorsichtig sein, denn immer wieder gabe es starke Böen aus West, die uns fast umwarfen. Kurz vor dem Erreichen der Felsenspitze bemerkten wir eine von See hereinziehende Regenfront, die uns kurz darauf mit unerwarteter Heftigkeit erfasste. Der ungebremste Westwind trieb den Regen horizontal gegen den Berg und es dauerte nur wenige Minuten, bis unsere Hosen völlig durchnässt waren. Wir suchten hinter einem kleinen Felsrücken Schutz und warteten bis der Guss vorbeigezogen war, dann stiegen wir weiter hoch bis zur Basis der Felsspitze. Aber ab hier war es auch uns zu riskant. Einige jüngere Kletterer versuchten es auf allen Vieren, aber letztlich sahen wir keinen, der es bis zum Gipfel schaffte. Der Wind war so stark und böig und es gab außer dem nackten Fels nichts, woran man wirklich Halt finden konnte.
 

Wir legten eine kurze Rast ein und machten uns dann ebenfalls über die Aufstiegsroute auf den Rückweg zum Visitor Center. Es war ein tolles Erlebnis mit einem unvergleichlichen Blick über den Atlantik und das weite Umland, dafür nahmen wir die nassen Hosen gerne in Kauf. 


Schmale Pass-Straßen und breite Strände


Auf der anderen Seite der Bucht, konnten wir bei Sonnenschein helle Sandstreifen zwischen den kleinen Inseln aufleuchten sehen. Dort liegt eine Reihe von Sandstränden, die durch einen Küstenwanderweg verbunden sind und die wollten wir erkunden. Um dort hin zu kommen, mussten wir den tief ins Land einschneidenden Killary Harbour Fjord und die Mweel Rea Mountains umfahren. Wir fuhren zurück nach Letterfrack und folgten dann der N59 vorbei am Kylemore Lough und später entlang der Südküste des Killary Harbour Fjords bis zu dem kleinen Ort Leenaun.

Hier kreuzten wir erstmalig die Spur einer Wanderung, die Peter vor 40 Jahren zusammen mit seinem jüngeren Bruder und seinem Vater unternommen hatte, ein Abenteuer-Urlaub zu Fuß, per Rad und mit dem Bus durch die Counties Mayo, Connemarra und weiter bis nach Galway. Anhand des Tagebuchs, das sein Vater während dieser Wanderung geführt hatte, konnte Peter einen Teil der damaligen Strecke nachvollziehen. Jetzt wollten wir gemeinsam einige der damals besuchten Orte und Wegstrecken aufsuchen und wenn möglich weitere Details der früheren Reise rekonstruieren. Und hier in Leenaun gibt es einen Pub, in dem die Drei damals Schutz vor dem strömenden Regen gesucht hatten. Aber es war zu früh, der Pub war noch geschlossen.

Wir folgten weiter der Straße, umrundeten das östliches Ende des Fjords und bogen auf die schmale R335 ab, die dem nördlichen Ufer des Fjords wieder einige Kilometer zurück nach Westen folgt, bevor sie nach Norden in die Berge abbiegt, jetzt mit der Bezeichnung Dhullough Pass Road. Links liegen die Mweel Rea Mountains und der schmale Lough Doo, rechts der Ben Gorm und die Sheeffry Hills. Weiter nördlich wird das Land wieder flacher und bei Cregganbaun bogen wir auf eine noch kleinere Straße ab, die uns wieder in Richtung Küste brachte und in Doovilra am Silver Strand endet.

Von dort wanderten wir über den breiten Strand Richtung Norden. Auch hier lagen viele kleine Inseln vor der Küste. Der Stand wurde immer schmäler und ging über in eine felsige Küste, über der ein mit Machair bedeckter und mit Findlingen übersäter Hang liegt. Der gälische Begriff Machair bezeichnet einen fruchtbaren Bodentyp, der der in den küstennahen Gebieten Schottlands und Irlands zu finden ist und insbesondere auf den dort vorgelagerten Inseln. Machair enthält einen Anteil organischer Substanzen, wie zum Beispiel Torf, und einen hohen Anteil mineralreicher Muschelsedimente. Auch hier war der Hang ist teilweise mit winzigen Muscheln und Schneckenhäusern übersät, die der starke Westwind vom Strand heraufgeblasen hatte. Es liefen mehrere, undeutliche Pfade über die Machair-Flächen, so dass man wahlweise unten am Wasser am Rand der Felsen laufen konnte oder weiter oben mit gutem Blick über die Bucht und auf die Berge. Mit dem Ferglas konnten wir von dort über die Inseln hinweg unser Haus und das Renvyle Castle entdecken. Der Himmel war meist bedeckt, aber es war trocken, noch immer wehte ein steifer Westwind und überall an den Klippen und Inseln der Bucht brachen sich die Wellen.

Kurz vor den Sand Hills bei Corragaun begegnete uns ein Schäfer mit seiner Herde. Er fragte nach unserem Woher und Wohin und erzählte uns etwas über seine Schafe, die er vor dem Einsetzen der Flut von den niedrig gelegenen Stränden wegbringen musste. Wir genossen den Blick über diese von Bergen umsäumte, raue Atlantikbucht mit ihren vielen kleinen Inseln und nahmen für den Rückweg den Pfad dicht am Wasser. Dabei passierten wir sogenannte Blow Holes, Löcher und Spalten in der Felsenküste, in denen der stramme Westwind tiefe Töne erzeugte, die an ein Nebelhorn erinnerten. 


Westport


Westport im County Mayo ist eine kleine, bunte Hafenstadt an der Clew Bay mit bunten Hausfassaden, einem schönen, achteckigen Marktplatz (The Octagon) und vielen kleinen Hotels, Läden und netten Cafés. Auch Westport war eine Station auf Peters früherer Reise. Von hier aus wanderten die Drei in Richtung Connemara bis zu der kleinen Hafenstadt Clifden. Dort hatten sie sich damals Fahrräder gemietet, mit denen sie die Strecke bis Galway zurückgelegten. Wir erkundeten Westport an einem typisch irischen Tag mit einem ständigen Wechsel von Sonne, Wolken und Regen, aber es waren gerade diese ständigen Lichtwechsel, die die Landschaft so lebendig wirken ließen. Am Nachmittag folgten wir von Westport aus der Küste der Clew Bay westwärts. Vor der Küste liegen zahlreiche Inseln unterschiedlicher Größe. Der Sage nach sollen es 365 Inseln sein, eine Insel für jeden Tag, aber nach offizieller Zählung sind es „nur“ 117 Inseln.

Zur Linken der Straße liegt der langgestreckte Croagh Patrick, der heilige Berg der Iren. Ein kahler Bergrücken mit einer kleinen Kapelle unweit des Gipfels. Unterhalb des Berges liegt der kleine Küstenort Murrisk. Auch dort besuchten wir einen Pub, in dem Peter alte Spuren verfolgte. Als Peter dem Wirt von seinem Projekt erzählte, war dieser sogleich behilflich, zeigte Peter alte Bilder an den Wänden des Pubs und erzählte, was er über die Leute wusste, die Peter hier früher getroffen hatte.

Wenige Kilometer weiter liegt der Bertra Beach, wo die Drei vor 40 Jahre in den Dünen übernachtet hatten. Hier wurden wir von einem plötzlichen, heftigen Regenguss überrascht, der uns schnell wieder ins Auto trieb. Dazu stürmte es derart, dass die Schafe auf der nahen Weide alle wie aufgereiht hinter der grauen Steinmauer, die die Weide umgrenzt, Schutz suchten. Der Croagh Patrick verschwand völlig in den Wolken und im Auto beschlugen die Scheiben. Zehn Minuten später war alles vorbei, die Sonne schien wieder und die Luft war so klar, dass jedes Detail auf dem Croagh Patrick zu erkennen war.

Wir folgen weiter Peters altem Trail und bogen auf eine schmale, einspurige Straße, die durch die Ausläufer der Sheefry Hills führt. Immer wieder entdeckte Peter Orte seiner früheren Reise und oft zückte er die Notizen seines Vaters heraus und las uns vor, was dieser über das Treiben seiner Söhne, aber auch über die Landschaft und ihre Bewohner aufgeschrieben hatte. Er muss ein guter Beobachter gewesen sein. Als ich seine launigen Kommentare hörte, wurde mir klar, dass der heutige Peter viel Ähnlichkeit mit seinem Vater haben muss. Leider habe ich seinen Vater nicht mehr kennen gelernt.

Letztlich kamen wir über die schmale Passstraße am Tawnyard Lough zwischen den Sheefry Hills und dem Ben Gorm wieder am Doo Lough heraus und fuhren über die Dhullough Pass Road und Leenaun zurück zur Renvyle-Halbinsel.


Omey Island


Am Tag vor unserer Abreise wollten wir nach Omey Island. Eigentlich ist Omey nur für halbe Tage eine Insel, etwa von drei Stunden vor bis drei Stunden nach Hochwasser. In der restlichen Zeit ist die Insel mit dem Auto und zu Fuß bequem erreichbar. Ein Blick in den Gezeitenkalender zeigte uns, dass wir uns am späten Vormittag vom Festland aus auf den Weg machen können. Der Wetterbericht hatte nur leichte Schauer angekündigt, aber schon auf den ersten Kilometern kurz vor Letterfrack gerieten wie in einen derartigen Guss, dass wir schon an Umkehr dachten. Wir fuhren aber weiter Richtung Westen bis zur Pier von Claddaghduff. Am Ende einer kleinen Stichstraße liegt ein Parkplatz und dort beginnt der Weg nach Omey Island. Inzwischen war der Himmel aufgerissen, blauer Himmel und Sonne. Jetzt stauten sich die dunklen Regenwolken im noch immer kräftigen und kühlen Westwind vor der Bergkette der Twelve Pins. Für uns sollte es der sonnigste Tag der Reise werden.

Der knapp einen Kilometer weite Weg zur Insel verläuft nicht, wie bei vielen anderen Gezeiteninseln, auf einem erhöhten Cause Way, sondern auf festem Sandwatt, das bei unserer Ankunft bis auf wenige flache Pfützen trotz des starken Westwindes völlig trocken war. Der Weg ist mit langen Pfählen markiert, aber bei klarem Wetter kann man unabhängig vom markierten Weg gut auf Sicht laufen. Im Sommer finden auf diesem Sandwatt regelmäßig Pferderennen statt.

Wir umwanderten die Insel gegen den Uhrzeigersinn. Zuerst stießen wir auf den an der Nordostecke der Insel gelegenen Friedhof, der mit seinen alten keltischen Kreuzen an Clonmacnoise erinnerte. Auch dieser Friedhof geht angeblich auf die Zeit von St. Brendan, also auf das 6. Jahrhundert zurück. Der Friedhof war fast völlig von Machair-Boden bedeckt und die Grabsteine waren teilweise dicht mit Flechten bewachsen. Fast alle Gräber sind nach Osten ausgerichtet.

In der Mitte der Insel liegt der Fahy Lough und nördlich davon der kleinere Lough Namackan. Ansonsten nur Machair-Flächen mit Findlingen die zur felsigen Steilküste hin abfallen. Dazu eine Handvoll kleiner Häuser, von denen aber keines mehr auf Dauer bewohnt wird. Am Ende der einzigen Straße ein totes Dorf: Kleine graue, seit Jahren unbewohnte Häuser, bei den ganz alten Steinhäusern stehen auch hier nur noch die Mauern. Einige Häuser werden noch im Sommer bewohnt oder an Touristen vermietet.

Um diese Jahreszeit sind, abgesehen von den Tagesgästen, kaum noch Menschen auf der Insel, aber die Weiden werden noch von den Bauern vom Festland bewirtschaftet. Der letzte ständige Bewohner der Insel, ein ehemaliger Stuntman, der auch auf der Insel geboren wurde, starb 2017. In seinem Buch „The Summer Isles“ beschreibt Philip Marsden[1] seinen Besuch bei dem Stuntman. Er hatte einen Teil seines Lebens im Ausland verbracht und war erst im Alter auf die Insel zurückgekehrt. Dort lebte er in einem Camper, da sein Elternhaus in der Zwischenzeit verfallen war.

Am höchsten Punkt der Insel, auf einer von den Gletschern glatt geschliffenen Felsplatte ist ein Cairn aufgeschichtet, ein guter Platz für die Mittagsrast mit herrlichem Rundblick: Auf der aufgewühlten See lag ein gleißendes Licht, an den zerklüfteten Küsten, Riffen und Inseln brach sich hoch auftürmend die Brandung. Im Nordwesten liegt Aughrus Point, das westliche Ende des Festlands, dahinter im Dunst Friar Island, im Westen die Insel An Chruarch mit ihren spitzen Felsnadeln und im Süden das andere, kleinere Inishturk und Turbot Island. Dazwischen dutzende kleiner Inseln, Skerries und Riffe.

Wir beobachteten einen Bauer, der mit einem kleinen Pickup seine Weiden kontrollierte. Auf der kleinen Ladefläche stand ein Border Collie. Während der Fahrt sprang der Hund auf und ab und zeitweise lief er dem Wagen voran. Geballte Energie und ein unbändiger Bewegungsdrang. Wir waren uns nicht ganz sicher, wie lange das Tidenfenster für unseren Rückweg bei dem starken Westwind offen sein würde und kürzten deshalb den Rückweg an der Südküste etwas ab. Aber unsere Sorge war unbegründet, es kamen sogar noch eine kleine Gruppe Besucher vom Festland herüber. Auf dem Weg zum Festland überholte uns auch der kleine Pickup und der Hund auf der Ladefläche hielt seinen Kopf in den Fahrtwind, jederzeit bereit wieder abzuspringen.


[1] Philip Marsden: The Summer Isles. Granta Books 2019 

Oktober 2019

Fotos: © H. Klein